Venenerkrankungen: So helfen Heilpflanzen
Kennen Sie das auch? Müde schwere Beine, vor allem am Abend nach getaner Arbeit, geschwollene Knöchel und Schmerzen bei langem Stehen, nächtliche Wadenkrämpfe oder Besen reiser? Dann gehören Sie zu der Hälfte aller Schweizer, die epidemiologischen Studien zufolge an einer Venenerkrankung leiden.
Die Beinvenen führen das Blut über die grosse Hohlvene in den rechten Vorhof zum Herzen zurück, sie müssen also gegen die Schwerkraft arbeiten. Dabei werden sie einerseits unterstützt durch die Venenklappen, das sind spiralförmige elastische Fasern im Inneren der Vene, die die Flussrichtung des Blutes (Richtung Herz) bestimmen: sie arbeiten wie ein Ventil, indem sie den Rückstrom verhindern. Andererseits bekommen die Venen bei der schweren Arbeit gegen die Schwerkraft Hilfe durch die Wadenmuskelpumpe: sie sorgt beim Gehen durch die Anspannung der Beinmuskulatur dafür, dass die zwischen den Muskeln liegenden Venen komprimiert werden und dadurch das Blut Richtung Herz zurück geführt wird. Ist die Muskulatur entspannt, entsteht in den Venen ein Unterdruck, der das Blut regelrecht nach oben saugt. Aus all diesen Schritten können Sie erkennen dass ausreichende Bewegung eine der wichtigsten Voraussetzungen ist für die Beinvenengesundheit!
Venenklappen schliessen schlecht
Bei einer Venenerkrankung werden die Venenklappen nach und nach undicht, die Gefässe erweitern sich und das Blut fl iesst zurück in Richtung Fuss, oder aber es „pendelt“ zwischen den einzelnen Klappenetagen hin und her. Das führt zu einer Blutstauung und somit zur Ausbildung von Krampfadern (mittelhochdeutsch „krump: geschlängelt“). Krampfadern haben nichts mit Krämpfen zu tun, es sind irreversible Erweiterungen oberfl ächlicher Venen mit Schlängelungen und Knotenbildung. Gleichzeitig werden die Venenwände geschädigt und der Stoffwechsel in diesem Gebiet beeinträchtigt.
Ursachen für venöse Gefässerkrankungen gibt es vielfältige: Eine der häufi gsten ist sicher ein schwaches Bindegewebe, das auf die Dauer dem hydrostatischen Druck, bedingt durch die aufrechte Haltung nicht standhalten kann; die Venenklappen werden mit zunehmendem Alter starrer und schliessen immer schlechter. Genauso beteiligt am Krampfaderleiden ist mangelnde Bewegung, Übergewicht und das ständige Tragen hoher Absätze, das die Wadenmuskulatur verkümmern und ihre Funktion als Venenpumpe einbüssen lässt. Ein weiterer Faktor ist die Schwangerschaft, in deren Verlauf sich häufi g das Bindegewebe lockert; dadurch erweitern sich die Venenwände und die Spannkraft wird vermindert.
Wenn die Venen ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden spricht man von einer Venösen Insuffi zienz, die (nach Widmer) in 3 Stadien eingeteilt wird:
Stadium I: Stauungszeichen im Fussknöchelbereich ohne Ernährungsstörungen des Gewebes.
Stadium II: Stauungszeichen mit Ernährungsstörungen, Pigmentverschiebungen und Induration (Verhärtung, Verdichtung des Gewebes), noch ohne Unterschenkelgeschwür.
Stadium III: Akutes oder abgeheiltes Unterschenkelgeschwür (Ulcus cruris).
Wenn Sie zu Venenbeschwerden neigen, sollten Sie vorbeugend fl ache Schuhe tragen, öfter barfuss gehen und kneippen. Trippeln Sie auf den Zehen, machen Sie den „Fersengang“ oder einmal wieder öfters „Seilspringen“ und suchen Sie sich eine Sportart aus, die anhaltend Spass macht. Walking zum Beispiel wäre besonders zu empfehlen oder auch Wassertreten. Beherzigen Sie den 3S-3L Merksatz: „Stehen und Sitzen ist schlecht, lieber Laufen oder Liegen“. Oder: Treppe statt Fahrstuhl, Fahrrad statt Auto, Spaziergang statt Sessel.
Müde Beine und Wadenkrämpfe
Erste Anzeichen für eine venöse Stauung sind müde Beine, die sich besonders am Abend schwer anfühlen, geschwollene Knöchel und Schmerzen bei langem Stehen, nächtliche Wadenkrämpfe und die Entstehung so genannter Besenreiser. Besonders ausgeprägt sind die Symptome wenn es draussen heiss ist, weil das Blut in den dann erweiterten Blutgefässen eher „versackt“. Spätestens dann sollten Sie auf die „Venengesundheit“ achten, denn durch Früherkennung und Eigeninitiative lassen sich Folgeschäden vermeiden, auch wenn eine erbliche Disposition besteht.
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Als Venenheilmittel am besten bekannt ist die Rosskastanie |
Heilpflanzen bei venösen Gefässerkrankungen
Bei Venenerkrankungen sollten Sie wirksame Arzneipflanzen zur begleitenden Behandlung möglichst frühzeitig einsetzen. „Venenpflanzen“ wirken vor allem kapillarabdichtend, venentonisierend und antiödematös. Sie beeinfl ussen die funktionellen Gefässveränderungen und stabilisieren die Venenfunktion. Sie können aber bestehende pathologische Veränderungen nicht mehr rückgängig machen! Eine innerliche Anwendung sollten Sie immer mit einer äusserlichen kombinieren, und unabdingbar gehören Bewegung zur Therapie und fachgerechte physiotherapeutische Massnahmen.
Mittel der Wahl und am besten bekannt ist die Rosskastanie, die früher als stärkender Futterzusatz für erschöpfte Pferde diente und „den keichenden Rossen sehr behülflich sein sollen“, wie Matthiolus im Jahre 1565 auf eine alte Heilanwendung der saponinreichen Samen bei Husten und Dämpfi gkeit der Rösser eingesetzt hinwies, denn Saponin löst den zähen Schleim in den Bronchien. Die Rosskastanie enthält u.a. bis 10 % eines Triterpensaponingemischs (Aescin oder Escin), das gewebsentwässernd wirkt, tonisierend und antientzündlich, sowie die Cumarinderivate Aesculin und Fraxin, die den Stoffwechsel anregen und die Durchblutung fördern. Rosskastanienextrakt stärkt den venösen Rückfluss, strafft erschlaffte Venen, verhindert die Thrombosebildung, setzt die Kapillarbrüchigkeit herab und beschleunigt die Blutflussgeschwindigkeit, reduziert die Durchlässigkeit der Kapillaren und damit die Einlagerung von Flüssigkeit im Gewebe. Aus diesem Grund setzt man ihn ein bei chronischer venöser Insuffi zienz mit Schmerzen und Schweregefühl in den Beinen, nächtlichen Wadenkrämpfen, Juckreiz, venösen Stauungen, Krampfadern, Venenentzündungen und Hämorrhoiden. Rosskastanienextrakt hat sich darüber hinaus bewährt beim so genannten postthrombotischen Syndrom, bei Thrombophlebitis und Ulcus cruris (chronisches Beingeschwür, oft die Folge einer lange bestehenden Venenerkrankung). Bei Ödemen hat er sich besonders bewährt: bei posttraumatischen und postoperativen Weichteilschwellungen, zur Begleitbehandlung eines Hirnödems, bei akutem Wirbelsäulen-Syndrom, bei Brachialgia paraesthetica nocturna (Schwellungsgefühl von Hand und Arm nach dem Nachtschlaf, oft auch bei Karpaltunnelsyndrom). Ausserdem gibt man Roskastanienpräparate als Präventivmassnahme bei langen Flugreisen; die Wirksamkeit wurde durch die so genannte „Lufthansastudie“ bekannt.
Rosskastanie wird nur als standardisiertes Fertigarzneimittel verabreicht, sowohl innerlich als auch äusserlich in einer Salbengrundlage. Sie ist schlecht magenverträglich (in galenischer Form (Kapseln) treten jedoch keine Probleme auf) und sollte deshalb immer nach den Mahlzeiten eingenommen werden.
Nebenwirkungen: Bei innerer Anwendung in Einzelfällen Juckreiz, Übelkeit, Magenbeschwerden.
Gegenanzeigen: Nicht bekannt.
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Buchweizen stärkt den Flüssigkeits- und Stoffaustausch in den Venen |
Buchweizen „sorgt für gute Durchblutung bis in feinste Kapillaren“. Er ist als Heilpflanze noch nicht lange bekannt, wurde aber aufgrund seines hohen Gehalts an Rutin im Kraut vom „Studienkreis der Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen/ Würzburg“ zur Arzneipflanze des Jahres 1999 gekürt. Für therapeutische Zubereitungen werden nämlich nicht die bekannten nahrhaften Nüsschen verwendet, sondern das blühende Kraut. Rutin gehört zu den Flavonoiden, die kompetente Radikalfänger sind und macht die Hauptwirkung aus: es wirkt als gefässwandaktive Substanz einer gesteigerten Kapillardurchlässigkeit entgegen, verbessert Elastizität und Mikrozirkulation in den Kapillaren und Venolen, normalisiert dort den Flüssigkeits- und Stoffaustausch, lässt venöse Stauungen abschwellen und unterstützt den Rückgang der Entzündungsbereitschaft. Das mindert spürbar Spannungsschmerzen und Schweregefühl in den Beinen und entlastet bei chronischer venöser Insuffizienz, aber man setzt es auch ein bei Mikrozirkulationsstörungen, peripheren Durchblutungsstörungen und zur Arterioskleroseprophylaxe – ein starkes Kraut! Verwendet werden vor allem Fertigarzneimittel mit standardisiertem Gehalt an Rutin (150 mg Rutin), aber auch Teezubereitungen sind möglich.
Teezubereitung: 2 g zerkleinerte Droge mit 150 ml kochendem Wasser übergiessen, 10 min. ziehen lassen und abgiessen. Mehrmals tgl. 1 Tasse trinken.
Nebenwirkungen: In sehr seltenen Fällen Kopfschmerzen und Photosensibilisierung nach intensiver Sonneneinstrahlung möglich.
Gegenanzeigen: Bislang nicht bekannt.
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Der Stachelige Mäusedorn wirkt wie ein Stützstrumpf von innen. |
Die dritte bewährte „Venenpflanze“ ist der Stachelige Mäusedorn, der wie ein „Stützstrumpf von innen“ wirkt. Seine zugespitzten Blätter, an denen Blüte und Frucht richtiggehend „angeklebt wirken, sind so stachelspitzig, dass man früher in ländlichen Gebieten Mäusedornblätter auf die Speisen legte, um damit hungrige kleine Nager von Getreide, Speck oder Käse fern zu halten, weil die Spitzen ihnen das Maul zerstechen sollten. Die Heilkraft der Pflanze sitzt aber in der Wurzel: dort fi nden sich vor allem Steroidsaponine, ätherische Öle und Mineralien wie Kalium und Kalzium. Mäusedorn erhöht den Venentonus, dichtet die Kapillare ab und wirkt antiphlogistisch, antiexsudativ und aquaretisch. Vor allem aber unterstützt und strafft Mäusedorn das Bindegewebe, weil er die Stützfaser Elastin vor dem Abbau schützt und so zur Erhaltung des venösen Stützgewebes beiträgt. Aus diesem Grund wird er therapiebegleitend eingesetzt bei chronischer venöser Insuffi zienz und ihrem Beschwerdebild.
Man nimmt nur Fertigarzneimittel ein, die einen standardisierten Mindestgehalt an Steroidsaponinen haben. Die Therapie sollte über mehrere Monate erfolgen.
Nebenwirkungen: Selten Magenbeschwerden.
Gegenanzeigen: Nicht bekannt.
Honigklee, auch Gelber Steinklee genannt, unterstützt als eines der wenigen Lymphmittel den Lymphstrom und fördert den Abfluss von Lymphe. Dieser zierliche 1,50 hohe Schmetterlingsblütler fällt erst auf in der kargen Kieslandschaft, wenn sich seine honigduftenden gelben Blütchen entfaltet haben. Trocknet man das blühende Kraut, dauert es nicht lange bis sich sein unglaublich zartschmelzendes Cumarin-Süss entwickelt hat – und das trägt zur Wirksamkeit bei: Honigklee enthält neben Flavonoiden, Saponinen, Schleim und ätherischen Ölen vor allem Cumarine, durch die er antiödematös und kapillarresistenzsteigernd wirkt bei entzündlichen und Stauungs-Ödemen. Er senkt die Gefässdurchlässigkeit, bessert dadurch den venösen Rückfl uss und sorgt für einen beschleunigten Abtransport der Lymphe. Deshalb setzt man ihn ein bei chronischer venöser Insuffi zienz mit Lymph- und Venenstauungen.
Die Einnahme in Form von Fertigarzneimitteln mit einem standardisierten Mindestgehalt an Cumarinen (entsprechend 3-30 mg Cumarin) ist empfehlenswert, es haben sich aber auch Teezubereitungen zur innerlichen und äusserlichen Anwendung, Salben, Linimente, Kataplasmen und Kräuterkissen bewährt.
Teezubereitung: Innerlich: 1-2 TL fein geschnittene Droge (1,5-3 g) mit 1 Tasse heissem Wasser übergiessen, 10 min. ziehen lassen und abgiessen. 2-3 x tgl. 1 Tasse trinken. Oder eine Mullkompresse damit tränken und 2-3 x tgl. auf die betroffenen Stellen auflegen.
Nebenwirkungen: Nicht bekannt.
Gegenanzeigen: In seltenen Fällen Kopfschmerzen.
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Teerezepte
Venentee
30 g Buchweizenkraut
10 g Honigkleekraut und je 20 g Schafgarbenkraut, Weissdornblüten und -blätter und Hohlzahnkraut.
1 TL der Mischung mit kochendem Wasser übergiessen, 10 min. ziehen lassen, abseihen. 3x tgl. 1 Tasse
Lymph-Venentee
30 g Zaubernussblätter
20 g Honigkleekraut
15 g Schafgarbenkraut und
35 g Ackerschachtelhalmkraut.
Pro Tag 1 EL auf 2 Tassen Infus
In neuerer Zeit wurde das Rote Weinlaub wieder bekannt, das französische Weinbauern schon seit langem verwenden um Venenerkrankungen zu lindern. 2002 konnte in einer klinischen Studie der Nachweis erbracht werden, dass der Trockenextrakt aus Rotem Weinlaub die Verminderung von Beinödemen und Beschwerden wie schwere müde Beine oder Spannungsgefühl bewirkt und antiödematös, entzündungshemmend, kapillarabdichtend und antioxidativ wirkt. Rotes Weinlaub enthält u.a. Flavonoide und Polyphenole, wird bei chronischer venöser Insuffi zienz eingesetzt und ist sehr gut magenverträglich.
Nebenwirkungen/Gegenanzeigen: Nicht bekannt.
Text: Ursel Bühring
Freiburger Heilpflanzenschule
Zechenweg 6, D-79117 Freiburg
www.heilpflanzenschule.de
aus Natürlich GESUND - 10. Jahrgang - Nr. 4 - Juni 2006
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