Mit der Brennnessel feurig ins Frühjahr

Die Brennnessel: seit Urzeiten ist sie bekannt als Nahrungsmittel und Arznei, als Faserpflanze und Düngemittel – und zugleich eines der vermutlich unbeliebtesten Unkräuter …

Jetzt im Frühling kommen sie zum Vorschein, die jungen Brennnesseltriebe, sie vermehren sich über Ausläufer und zugleich über Samen, und sie wachsen fast überall, vor allem dort, wo die Erde gut gedüngt ist. Und jetzt ist auch die Zeit für eine „Frühjahrskur“, auch „Blutreinigungskur“ genannt, und die Brennnessel eignet sich hervorragend dafür, als Tee, Frischpflanzensaft, Gemüse, Brennnesselwasser; „solo“ oder auch im Zusammenspiel mit andern „Frühlingspflanzen“ wie Löwenzahn, Birke, Bärlauch. Mit ihren hohem Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen (vor allem Eisen, Kalzium, Kalium) wirken Brennnesseln grundsätzlich blutbildend, kräftigend und vitalisierend – nicht nur im Frühling!
Brennnesseln wirken stark stoffwechselanregend, vor allem nierenanregend und harntreibend, stimulieren aber auch Magen, Darm, Leber, Bauchspeicheldrüse und Gallenblase.
Somit regen sie den „Frühjahrsputz“ im Körper an und wirken entgiftend und entschlackend.

Energiekick für den Stoffwechsel

Damit wird nicht nur insgesamt Wohlbefinden, Gesundheit und Lebenslust gefördert, sondern es bessern sich auch körperliche Beschwerden, die in Zusammenhang mit dem Stoffwechsel stehen: häufig werden Hautkrankheiten und rheumatische Beschwerden positiv beeinfl usst, aber auch „nur“ für die Schönheit tut eine Brennnesselkur gut: In Untersuchungen zeigte sich nach 6 Wochen Brennnesselfrischsaft ein deutlich besseres Hautbild bezogen auf Hautfeuchtigkeit und Hautelastizität.
Gleichzeitig wirken Brennnesseln entzündungshemmend, was sie, zusammen mit der beschriebenen durchspülenden Wirkung, zu einer wichtigen Heilpfl anze bei Rheuma und Arthrose macht. Was der „Volksmund“ schon immer wusste, haben neueste wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt: Brennnesselextrakte können direkt in den Entzündungskreislauf eingreifen; Entzündungen und Schmerzen werden reduziert, Gelenksteifi gkeit nimmt deutlich ab. Brennnesselextrakte können auch gleichzeitig mit NSAR (nicht steriodale Antirheumatika) gegeben werden, um so eine Dosisreduzierung zu bewirken.

„Urtikation“ hilft bei Gelenkschmerzen

Bei Gelenkbeschwerden kann neben der inneren Anwendung (siehe Kasten) auch äusserlich behandelt werden: Einreibungen mit Brennnesselspiritus, oder, ganz traditionell und äusserst preisgünstig: „Urtikation“, die Behandlung mit frischen Brennnesseltrieben, die nach dem ersten Schmerz ein lang anhaltendes Wärmegefühl auslöst. Brennnesseln wirken zudem milchbildend (eines der „Hebammenkräuter“) und werden mit ihren entgiftenden und entschlackenden Fähigkeiten auch gern zur Begleitung von Reduktionsdiäten eingesetzt.
Alles bisher Beschriebene bezieht sich auf die oberirdischen Teile der Brennnessel, aber auch die Wurzel hat Heilkräfte eigener Art: als „Wurzeltee“ oder Fertigpräparat ist sie wirksam bei Prostatabeschwerden, auch hier wird derzeit die traditionelle Volksheilkunde von modernen wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt. Aber die Brennnessel kann noch mehr: Mit Tee oder Tinktur aus den Blättern und Wurzeln, werden die Haare nach dem Waschen kräftig gespült und durchmassiert, sie werden dadurch kräftiger, der Haarboden wird besser durchblutet und der Haarwuchs wird angeregt.

Und dann die Samen!
Kleine grüne Kraftpakete, vollgepackt mit Mineralstoffen, Vitaminen und Phytohormonen – eine pfl anzliche Frischzellenkur sozusagen. Hühner werden legefreudiger, wenn man ihnen Brennnesselsamen ins Futter gibt und schlaue Pferdehändler geben ihren Tieren vor dem Verkauf die Samen handvollweise zu fressen: die Pferde werden lebhafter, das Fell glänzender, die Augen feuriger...

Samen stärken die Abwehrkräfte

Bei den Menschen sind die Wirkungen durchaus vergleichbar: ein Esslöffel Brennnesselsamen am Tag, ab Juli/August selbst gesammelt und getrocknet oder aus der Apotheke erhöht Vitalität und Widerstandskräfte und eignet sich gut für Zeiten grosser Beanspruchung oder auch als „Wintervorrat“, wenn draussen nichts Grünes zu finden ist.
Auch als wirksames Aphrodisiakum galten sie schon immer. „Wenn sie wollen eheliches Werk treiben, essen sie den samen mit zwiebeln und eys dotteren und pfeffer“ (Brunfels, 1485–1534)
Die Gärtnerinnen und Gärtner schätzen die Brennnessel, als Tee zum Düngen und als Jauche zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Und wussten Sie, dass Pflanzen mit ätherischen Ölen wie Pfefferminze oder Salbei nachweisbar mehr Wirkstoffe enthalten, wenn Brennnesseln daneben wachsen? Und, nicht zu vergessen: Die Brennnessel ist ein unserer wichtigsten Schmetterlingspfl anzen und insgesamt bis zu 70 Insektenarten leben von ihr!
Und was wäre eine so wertvolle Pflanze ohne die Fähigkeit zum „Liebeszauber“! Die Brennnessel galt als „sicheres Liebesund Lenzmittel“ und es heisst, dass man oder frau mit ihrer Hilfe dem oder der Begehrten eine „heisse, brennende Liebe“ anzaubern konnte!
Allerdings kann der Betroffenen, der vermutet, auf diese Art verzaubert worden zu sein, sich schützen: Wer etwas Johanniskraut oder eine frische Wegerichwurzel bei sich trägt, dem wird keiner etwas anhaben können! Und, wer einen Strauss aus Brennnesseln geschenkt bekommt, der sollte nicht etwa gekränkt sein: „Ich entbrenne in heisser Liebe zu Dir“, so wäre die korrekte Übersetzung aus der Blumensprache…

Anwendungen und Rezepte

Brennnesseltee:
Ein Teelöffel getrocknetes oder ein Esslöffel frisches Brennnesselkraut mit einer Tasse siedendem Wasser übergiessen und 10–15 Minuten ziehen lassen. Als Kur 3–4 Tassen/Tag

Brennnesselwasser:
eine 2 Liter Schale mit Wasser füllen, frische Brennnesseltriebe hineingeben, 2–3 Stunden ziehen lassen. Über den Tag verteilt trinken.

Frischpflanzensaft:
Frische Brennnesseln mit Hilfe einer Knoblauchpresse auspressen. (oder den Saft als Fertigpräparat kaufen). Täglich 3–4 Teelöffel in Wasser oder Buttermilch gelöst.

Brennnesselmus:
gedämpfte Blätter – diese Zubereitungsform zeigte sich als die wirksamste bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen. 50–100 Gramm/Tag

Als Gemüse, Suppe:
Zubereitung wie Spinat

Brennnesselwurzeltee:
Ein Teelöffel klein gemörserte Wurzel mit einer Tasse Wasser zum Kochen bringen, 10 Minuten ziehen lassen, 3–5 Tassen täglich., bei Prostatabeschwerden

Brennnesselhaarwasser:
Brennnesselwurzeln und -blätter, Klettenwurzeln, Birkenblätter und Kapuzinerkresse in Wodka 4 Wochen ziehen lassen, abseihen und in die Kopfhaut einmassieren

Und, für besondere Anlässe:
„Nesselblätter, in Wein gesotten und getrunken, machen zur Liebe feurig“

Brennnesseln eignen sich grundsätzlich am besten als kurmässige Anwendung: 3–6 Wochen lang. Sehr wichtig ist immer, gleichzeitig ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen!

Für Durchspülungstherapien sind Tee, Wasser, Frischpflanzensäfte gleichermassen geeignet, für die Behandlung von entzündlichen Gelenkerkrankungen eignen sich am besten das Brennnesselmus, Frischpflanzensaft oder die entsprechenden Präparate. Eine Durchspülungstherapie darf nicht gemacht werden bei Ödemen infolge eingeschränkter Herz- oder Nierentätigkeit.

Text: Ursula Bertsch,
Hansjakobstr. 136,
D-79117 Freiburg

aus Natürlich GESUND - 10. Jahrgang - Nr. 1 - Februar 2006

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