natürlich GESUND
Freitag, 25.05.2007


Kinder und Heilpflanzen - Eine blumige Verbindung


Wer selber Kinder hat oder in seinem Umfeld mit Kindern zu tun hat, kann immer wieder erleben, auf welche Weise Kinder die Welt ent decken. Jedes auf seine Art und in seinem Tempo. Die Entdeckung mit allen Sinnen, die Entdeckung der Elemente sowie Erfolge und Rückschläge gehören dazu. Das Wahrnehmen der natürlichen Umgebung – das Klettern auf Bäumen, Wühlen im Sand, das Basteln von Blumenkränzen und Kochen von Grassuppen, gehört zum „Ankommen“ auf der Welt, ebenso wie nass werden, frieren und schwitzen.

Auch das Krankwerden gehört dazu. Fieberträume, Schmerzen, Müdigkeit, „Krankheitsgefühle“ tragen dazu bei, den eigenen Körper wahrzunehmen. Die mit Krankheiten verbundene Frustration und das Leiden als Empfindung auf der seelischen Ebene sind wichtige Elemente in der Entwicklung von Kindern. Das Wissen über diese Aspekte in der Entwicklung ist grundlegend für den Umgang mit Krankheiten im Kindesalter.

Warum Heilpflanzen?
Pflanzliche Heilmittel sind besonders gut geeignete Arzneimittel zur Behandlung von Krankheiten im Kindesalter, da besonders Kinder über ein grosses Potential an Selbstheilungskräften verfügen. Hier genügen oftmals milde Reize um eine Heilung herbeizuführen und die Erfahrung lehrt, dass eigenständig durchlebte Erkrankungen seltener chronisch werden.
Heilpflanzenanwendungen sind in der Wirkung überschaubar und haben geringe bis keine Nebenwirkungen. Ein weiterer Vorteil liegt in den kinderfreundlichen Anwendungsweisen von Heilkräuteranwendungen, z.B. Tees, Inhalate, Bäder, Einreibungen, Sirupe etc. Die Eltern sind in den Behandlungsprozess immer tätig mit eingebunden, sie sind aktiv, kochen Tee, reiben ein oder legen einen Wickel an. Sie wenden sich dem kranken Kind zu und nehmen es ernst, was die Kinder sehr gerne haben. Sie erhalten mehr Zuwendung und erleben ihre Eltern als aktiv, was einen grossen Unterschied zur normalerweise vorherrschenden passiven Haltung bei Krankheiten ausmacht. Kinder machen deshalb auch viel lieber mit beim Kurieren ihrer Beschwerden, werden selber auch aktiv.
Es gibt jedoch auch bei der Behandlung mit Heilpflanzen Grenzen, die in der Kinderheilkunde beachtet werden müssen. Das gilt für die veränderte Dosierung im Kindesalter, für alkoholische Auszüge, aber auch für die äussere und innere Anwendung ätherischer Öle, z.B. des Menthols. Bei falscher Anwendung mentholhaltiger Arzneimittel kann es zu Atembeschwerden bis zur Atemlähmung kommen. Auch sollte man mit manchen drastisch wirkenden Drogen vorsichtig umgehen, z.B. Senna. Grundsätzlich sind jedoch fast alle Arzneipflanzen und –zubereitungen, die bei der Therapie von Krankheiten Erwachsener eingesetzt werden, auch für Kinder geeignet.
In meiner langjährigen Praxistätigkeit als Heilpraktikerin habe ich die Erfahrung gemacht, dass Kinder nicht nur körperlich gut auf Heilpflanzen ansprechen. Sie finden es in der Regel toll, einen Tee oder eine Arznei aus Pflanzen zu sich zu nehmen. Oft kennen sie die Pflanze auch, wie z.B. das Gänseblümchen, eine Pflanze, die von mir sehr häufig in der Kinderheilkunde eingesetzt wird. Ich zeige den Kindern Fotos von den Pflanzen und bemerke immer wieder deren grosse Neugier. Ausserdem liegen bei mir im Wartezimmer Bücher mit Heilpflanzenmärchen.
Im Laufe des Älterwerdens meiner Tochter habe ich erst im Kindergarten und später in der Schule immer wieder Kräuterunternehmungen mit den Kindern gemacht. Wir haben Spitzwegerich gesammelt und Sirup daraus gekocht – das war für die Kinder immer der beste Hustensaft, den es gab. Jedes durfte den Spitzwegerich schneiden oder zupfen, den Sirup umrühren und schliesslich ein eigenes Fläschchen davon mit nachhause nehmen. Später berichteten mir die Mütter von wahren „Wunderheilungen“. Die gemeinsam gesammelten Holunderblüten wurden im Herbst dann in der Kindergartengruppe als Tee aufgebrüht und selbst von „Teemuffeln“ gerne getrunken. Eine Vesper mit etwas Gänseblümchenfrischkäse und Kräuterbutter kam auch gut an. Ich erlebe immer wieder, dass es sehr häufig die Eltern sind, die sagen „das mag mein Kind nicht“, dass die Kinder aber, in einer anderen Umgebung, oft gerne bereit sind, Dinge auszuprobieren, die sie zuhause nicht probieren würden.

Spitzwegerich-Sirup

Hierzu werden 100 g frische Spitzwegerichblätter (von Mai-August gesammelt) klein geschnitten, gezupft oder durch einen Fleischwolf gedreht. Es wird soviel Wasser dazu gegeben, dass die Blätter gerade bedeckt sind und das Ganze wird zum Kochen gebracht. Den Sud durch ein Tuch abseihen und auf 1 Liter Flüssigkeit 450g Zucker oder Honig dazugeben. Sirup in Gläser füllen und luftdicht verschliessen. Hält sich im Kühlschrank 6–12 Monate. Bei Bedarf stündlich 1 Teelöffel nehmen oder Hustentees damit süssen.


Später in der Schule machte ich mit den Drittklässlern erstaunliche Erfahrungen. Allein die von mir an die Klasse gestellte Frage, wer von den Kindern denn schon mal mit Heilpflanzen behandelt wurde, löste eine Flut von Wortmeldungen aus. Nun handelt es sich bei der Schule um eine Waldorfschule, wo das in den Familien sehr viel üblicher ist, dennoch war ich überrascht, wie viele Kinder bereits mit Pflanzen in Kontakt kamen.
Das Wissen darüber, dass sich die Pflanzen in der Natur unterscheiden, nicht nur äusserlich, sondern auch von ihrem Nutzen für den Menschen her, setzt bereits ein gewisses Abstraktionsvermögen voraus. Dass es Gemüse, Getreide, Obst gibt, wissen die Kinder oft. Dass das Brot oder die Nudeln aber aus gemahlenem Getreide hergestellt wird und welche einzelnen Schritte dafür notwendig sind, wissen viele Kinder nicht. Die Entfremdung von der Natur ist gerade in den Städten sehr häufi g und viele Kinder kennen z.B. Kartoffelpüree nur als Pulver aus der Schachtel.
Wie schwer ist es also, sich vorzustellen, dass es unter den vielen Pflanzen, die da draussen wachsen, zahlreiche gibt, die uns bei Krankheiten helfen, wieder gesund zu werden. Unglaublich, dass es von Pflanze zu Pflanze Unterschiede gibt und dass manche Kräuter einfach nur schön aussehen und duften und trotzdem noch nicht heilkräftig oder womöglich giftig sind.
Und dass aber manch unscheinbares Kräutlein unglaubliche Heilkräfte in sich birgt. Da Kinder von Natur aus Forschernaturen sind, löst so ein gemeinsames Entdecken Faszination aus. Die Spitzwegerichblüte mit der Lupe zu betrachten, kann der Schlüssel zu einer völlig neuen Wahrnehmung der Natur sein!
Wenn die Kinder dann erfahren, dass das angequetschte Spitzwegerichblatt bei Insektenstichen hilft und in den Schuh gelegte Breitwegerichblätter gegen müde Füsse und Blasen helfen, dann gab es selten so viele behandlungsbedürftige Insektenstiche und Blasen, wie bei dieser Wanderung.

Spitzwegerich-Sirup

(nach U.Bühring)

Kinders Lieblingssuppe
Für jedes Familienmitglied einen Esslöffel Blüten und Blätter, feingewiegt, in eine helle Mehlschwitze geben. Mit Gemüsebrühe auffüllen und aufwallen lassen. Abschmecken mit Zitrone, Salz, Pfeffer und Sauerrahm. In Butter angeröstete Brotwürfelchen darüber streuen. Mit Blüten dekoriert servieren.

Germanentoast
Eine knappe Handvoll Blüten und Blätter klein schneiden. 70g Doppelrahmfrischkäse mit etwas Milch und einem Teelöffel Zitronensaft verrühren. Eine zerdrückte Knoblauchzehe, die geschnittenen Gänseblümchen, Salz und eine Prise Zucker unterheben und getoastetes Brot damit bestreichen. Mit Blüten hübsch garnieren. Schmeckt lecker – und sieht wunderschön aus.


Die Erfahrung, sich mit einfachen Mitteln selber helfen zu können, oder auch die Wahrnehmung, dass andere Menschen einem damit helfen können ist sehr wichtig für das Vertrauen in die eigenen Selbstheilungskräfte – besonders im Kindesalter.
Dieses Vertrauen sollten wir fördern, wo wir nur können, damit aus gesunden Kindern auch gesunde Erwachsene werden.



Text: Michaela Giersch
Kapellenfeld 18,
D-79291 Merdingen


aus Natürlich GESUND - 9. Jahrgang - Nr. 8 - November/Dezember 2005


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