natürlich GESUND
Samstag, 26.05.2007


Bitterpflanzen und Ballaststoffe gegen Darmträgheit


Das Zentrum der Gefühle ist im Bauch, im „Reich der Mitte“. „Es ist der Bauch, für dessen Befriedigung die meisten Menschen arbeiten. Es ist aber auch der Bauch, der für die meisten Menschen Leiden bringt“, sagte Plinius. Der Darm ist mehr als ein Sammelrohr für Abfallprodukte: Ein Teil unseres Gehirns „sitzt im Darm“: das so genannte „Enterische Nervensystem“ besitzt die grösste Ansammlung von Neuronen ausserhalb des Gehirns. Psychoaktive Stoffe wie Serotonin, Dopamin, Opiate o.ä. werden vor allem aus dem „Darmhirn“ ausgeschüttet. Verständlich, dass viele Menschen mit dem Bauch denken und sich auf ihr Bauchgefühl verlassen (können!).

Der Darm ist auch eine der fünf grossen Entgiftungsstationen und das grösste Immunorgan des Körpers. Er ist eine Art Tunnel, ca. 7 m lang und in Bezug auf die Ernährung „Aussenwelt“, denn alles, was sich im Darm befindet, hat der Körper noch nicht zu seiner Verfügung. Der 1,5 m lange Dickdarm dickt den Nahrungsbrei ein (daher der Name) und resorbiert vor allem Flüssigkeit, Mineralsalze u.a. in die Blutbahn zurück. Über den Mastdarm (Rectum) gelangt das, was „oben hinein kam“ und nicht verwertet bzw. resorbiert wurde, „unten wieder hinaus“.

Verstopfung
Eine ägyptische Gottheit war um 1600 v. Chr. für den regelmässigen Stuhlgang verantwortlich, und später hatten königliche Hofärzte die Ehre, sich „Hüter des königlichen Stuhlganges“ nennen zu dürfen – Verstopfung war schon immer ein bekanntes Problem. Eine Verstopfung ist eine –überaus häufige- Funktionsstörung des Dickdarms: bis zu 50 % der erwachsenen Bundesbürger leiden gelegentlich darunter und immer mehr Kinder sind davon betroffen, verbunden mit erheblichen Befindlichkeitsstörungen. Ursachen sind zumeist ballaststoffarme Kost, unzureichende Trinkmenge und Bewegungsmangel. Zu unterscheiden ist die akute von der chronischen Verstopfung.




Hinweis
Eine akut auftretende Verstopfung, plötzliche Änderung des Stuhlverhaltens sowie Blut im Stuhl muss dringend abgeklärt werden (Verdacht auf kolorektalen Tumor).
Eine akute Verstopfung , die häufig bei Reisen, im Verlauf von Erkrankungen, Aufregungen oder Ernährungsänderungen vorkommt, ist unbedenklich und nicht unbedingt behandlungsbedürftig. Dann ist das „beste Abführmittel“ ballaststoffreiche Ernährung , ausreichende Bewegung und Trinkmenge und zusätzlich ein Cholagogum (Löwenzahn, Erdrauch, Galgant) bzw. galleanregende Bitterstoffpflanzen (Gelber Enzian, Wermut, Tausendgüldenkraut) sowie sekretionsfördernde Gewürze (Anis, Fenchel, Kümmel oder Koriander) oder Scharfstoffdrogen (Ingwer, Galgant) – das alles regt die Darmbewegung an. Nicht angezeigt sind harntreibende Tees – sie entziehen dem Dickdarm Flüssigkeit und verstärken die Obstipationsneigung.

Heilmittel gegen Gallebeschwerden
und Verstopfung: das Mohngewächs
Erdrauch
Anis: der „süsse Kümmel“ hilft
gegen Verdauungsstörungen.
Fenchel regt die Verdauungssäfte
an.
Bitterstoffpflanzen wie Wermut
bringen die Verdauung in Schwung.

Selbstvergiftung durch Verstopfung

Eine chronische Verstopfung ist keine „Bagatelle“ und mehr als eine Befindlichkeitsstörung: Weil die nicht rechtzeitig ausgeschiedenen Giftstoffe zum Teil wieder rückresorbiert werden, kann es in einer Art Selbstvergiftung zu chronischen Kopfschmerzen, Hauterkrankungen, Divertikeln u.a. führen. Sie sollte ärztlich abgeklärt und auf alle Fälle behandelt werden.
Die Ursachen einer chronischen Verstopfung können ernährungsbedingt sein oder durch zu wenig Flüssigkeitszufuhr, durch Bewegungsmangel und oft auch im Anschluss an eine akute Verstopfung, die verfrüht mit Abführmitteln behandelt wurde. Die Einnahme von Abführmitteln kann leicht zur Gewohnheit werden, bis sich der Darm ohne Abführhilfen nicht mehr von selbst entleert. Weitere Ursachen können psychosomatische Faktoren sein, Übergewicht, Medikamente (Opiate, Antazida, Antidepressiva, Laxanzien (!)) oder Erkrankungen wie Hämorrhoiden, Hypothyreose, Colon irritabile oder Tumoren sowie Angst vor Schmerzen, z.B. bei Analrhagaden, Fissuren oder Hämorrhoiden.
Ein häufiges Symptom der Obstipation ist Appetitlosigkeit, meist verbunden mit Blähungen und Völlegefühl, manchmal heftige Koliken oder durch starke Blähungen zu Herz- und Atembeschwerden, dem Roemheld-Syndrom.

Therapie
Eine Therapie erfordert Geduld, weil sie meist mit einer Änderung der Lebensweise und der Ernährung verbunden ist. Der Einstieg kann (therapeutisch begleitetes!) Fasten sein oder die F. X.-Mayr- Diät, verbunden mit genügend Bewegung und vor allem mit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr. Darauf sollten ältere Menschen besonders achten. Immer wichtig ist: sich morgens Zeit für den Stuhlgang zu nehmen und ihn nicht zu unterdrücken. Zur Bahnung des „gastrokolischen Reflexes“ morgens ein Glas Wasser trinken und eine Bauchmassage durchführen: am rechten Unterbauch beginnen, dem Kolonverlauf folgen und am linken Unterbauch enden. Nach einer Aufbauphase kann dann langsam und behutsam eine ballaststoffreiche Vollwert- Ernährung eingeführt werden. Ballaststoffe leiten oft schon eine Normalisierung des Stuhlgangs ein. Sie üben eine reinigende Funktion auf die Darmwände aus, indem sie wie eine Art „Reisigbesen“ Ablagerungen, Bakterien und auch Pilznester „herauskehren“. Durch die unverdaulichen Pflanzenfasern wird das Stuhlvolumen vergrössert und über den erhöhten Füllungsdruck ein mechanischer Reiz auf die Darmwand ausgeübt. Aufgrund der hohen Quellfähigkeit ballaststoffreicher Nahrung ist unbedingt auf genügend Flüssigkeit achten! Die Tagesdosis für eine wirksame Verdauungsregulierung beträgt 15 g Getreideballaststoffe, eingenommen mit mindestens 250 ml Wasser. Zusätzlich binden Ballaststoffe Problemstoffe an sich und wirken dadurch einer Leberüberlastung und der Entstehung von Krebs entgegen. Eine amerikanische Studie mit 400.000 Teilnehmern konnte belegen, dass faserreiche Kost (35g/Tag) das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken um 40% senkt.

Abführmittel (Laxanzien)
Ballaststoffe , die das Stuhlvolumen auf physikalische Weise vermehren.
Füll- oder Quellmittel , die über einen Dehnungsreiz wirken ( Floh- und Leinsamen : s.u.) sind bei chronischer Verstopfung die Mittel der ersten Wahl . Sie gelten nicht als eigentliche Abführmittel, sondern als stuhlregulierend und sind für die Langzeitanwendung geeignet. Unter Aufnahme von Wasser quellen sie auf ein Vielfaches ihres ursprünglichen Volumens im Darm auf und vergrössern dadurch das Volumen des Darminhaltes. Durch die folgende Darmwanddehnung wird die Defäkation reflektorisch in Gang gesetzt.
salinische und osmotisch wirkende Abführmittel (Mineralsalze wie Glaubersalz (Natriumsulfat) oder Bittersalz (Magnesiumsulfat) und nicht bzw. schlecht resorbierbare Kohlenhydrate wie Sorbit oder Mannitol, Pflaumen, Feigen und Tamarindenmus), die durch ihre osmotische Kraft viel Wasser im Darm binden und dadurch die Eindickung des Kotes verhindern; wichtig ist, bei der Anwendung auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten.
mikrobiologisch wirksame Laxanzien wie Milchzucker, die die häufig geschädigte Darmflora zusätzlich sanieren.
Anthrachinone stehen bei der Selbstmedikation an erster Stelle, vor allem weil sie schnell (nach 8-12 Std.) wirken. Jedoch sollten sie nur begrenzt (8-10 Tage) eingesetzt werden. Sie gelten als Laxanzien im eigentlichen Sinne, weil ihr Wirkungsmechanismus nicht physikalisch bedingt ist, sondern chemisch. Anthranoid- Glykoside sind dickdarmwirksame, neuromuskuläre, motilitätssteigernde und die Darmschleimhaut reizende Mittel. Durch die Reizwirkung kommt es zu einer erhöhten Freisetzung von Histamin und Prostaglandin. Dies führt zu einer gesteigerten Flüssigkeitsund Elektrolytsekretion in den Darm und zu einer Hemmung der Flüssigkeitsresorption aus dem Dickdarm (Hemmung der Rückresorption von Natrium und folglich auch von Wasser). Als Folge gelangt mehr Wasser in den Darm, die Verfestigung des Kotes entfällt und er wird aufgeweicht. Die Stuhlabgabe wird erleichtert, die Verweildauer verkürzt. Am verträglichsten unter den Anthranoiddrogen sind solche aus Rhabarberwurzeln und Faulbaumrinde . Am stärksten wirksam sind Aloeextrakte ; am beliebtesten Sennesblätter und noch mehr die wohlschmeckenden Sennesfrüchte .
Anwendung von Anthrachinondrogen : zur Vorbereitung von klinischen Untersuchungen, Operationen des Darmes, bei akuter Obstipation (z.B. auf Reisen), und wenn ein weicher Stuhl bzw. eine leichte Defäkation erforderlich ist (Analfissuren, Hämorrhoiden). Die Wirkung tritt nach ca. 8-10 Stunden ein, daher abends einnehmen. Die Dosierung individuell einzustellen: die geringste, mit der noch ein weicher, geformter Stuhl erzielt werden kann ist die richtige Dosis.
Nebenwirkung : kolikartige Leibschmerzen. Bei Langzeitanwendung Gefahr der Gewöhnung des Darmes an die Laxanzien mit nachfolgender Darmatonie und Verstärkung der Verstopfung, was zu dem bekannten Teufelskreis führt: Die Elektrolytstörungen haben einen Kaliummangel zur Folge, der die Darmträgheit verstärkt und zusätzlich zu Störungen in der Erregungsleitung des Herzens führen kann und Empfindlichkeit gegenüber Digitalis beeinträchtigen.
Kontraindikationen : akut-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, Darmverschluss, Dickdarmkrebs, Melanosis, abdominelle Schmerzen unbekannter Ursache, schwere und chronische Niere- Leber-Leiden, Schwangerschaft, starke Menstruation und Hämorrhoiden, Stillzeit sowie die Anwendung bei Kindern unter 10 Jahren. Bei gleichzeitiger Einnahme von Herzglykosiden ist Vorsicht geboten.
Mittel der ersten Wahl: Leinsamen
Inhaltsstoffe: 12 % Schleim und reichlich Ballaststoffe, 30-45 % fettes Öl, 25 % Eiweiss.
Wirkungen: Stuhlregulierend, peristaltikanregend, schleimhautschützend. Leinsamen gelangen ungehindert in den Dickdarm und binden dort das (zugeführte!) Wasser. Es kommt zu einer 4-8-fachen Volumenzunahme und dadurch zu einem erhöhten Füllungsdruck, der einen Dehnungsreflex auf die Darmwand auslöst. Nachfolgend wird die Darmperistaltik ausgelöst. Leinsamen gelten als Quell- und Gleitmittel gleichzeitig. Sie überziehen die Darmschleimhaut mit einem schützenden Film und werden auch zum Schutz der geschädigten Darmschleimhaut eingesetzt, weil vermutlich auch Karzinogene an Leinsamen gebunden werden.
Indikationen: Verstopfung. Auch bei Divertikulose, Colon irritabile.
Darreichungsform: 2-3 mal tgl. 1-2 EL ganze bzw. „aufgebrochene“ Samen zwischen den Mahlzeiten mit je 150-200 ml Flüssigkeit pro EL Samen einnehmen. Bei einer verminderten zusätzlichen Flüssigkeitsaufnahme wird die Verstopfungsneigung verstärkt, weil Leinsamen Wasser bindet! Ausserdem kann es durch Verklumpung der Drogen zur mechanischen Verlegung von Abschnitten des Gastrointestinaltraktes kommen, im Extremfall zum Darmverschluss. Der Leinsamen soll im Darm quellen, damit ein optimaler Dehnungsreiz entsteht. In der Tasse vorgequellter Leinsamen übt zu wenig Druck auf die Darmwand aus. (Bei Gastritis dagegen lässt man die Samen „in der Tasse“ quellen.) Ganze bzw. aufgebrochene Samen bevorzugen, weil geschrotete Samen innerhalb 1 Woche ranzig werden und die Darmwand zusätzlich reizen können! So genannter „aufgebrochener oder aufgeschlossener“ Leinsamen ist nur leicht gequetscht: die Samenschalen sind nur aufgebrochen um die dort gelagerten Schleimstoffe optimal nutzen zu können, die ölführenden Zellen bleiben weitgehend intakt und sind somit haltbarer als geschrotete; aufgeschlossener Leinsamen quillt schneller.
Tagesdosis: 45 g Droge.
Nebenwirkungen: Bei korrekter Dosierung und Flüssigkeitszufuhr nicht bekannt.
Gegenanzeigen: Darmtumore, Ileus oder Strikturen.
Wechselwirkungen: Verminderte Resorption wie bei jedem Mucilaginosum möglich. Aus diesem Grund sollten andere Medikamente erst 30-60 Minuten später eingenommen werden. Bei insulinpflichtigen Diabetikern kann eine Reduzierung der Dosis notwendig werden.
Präparate: Linuforce, Linusit -Gold® Leinsamen, Darm-aktiv Portionsbeutel. Ähnlich wirkt Indischer Flohsamen, Plantago ovata
Präparate: Mucofalk® Granulat, Agiocur® Granulat, Plantocur® Granulat.


Text :
Ursel Bühring
Freiburger Heilpflanzenschule
Zechenweg 6, D-79111 Freiburg
www.heilpflanzenschule.de


aus Natürlich GESUND - 9. Jahrgang - Nr. 4 - Juni 2005


Aufrufe dieser Seite: 3210
Seiten-Generation dauerte 0.6434 Sekunden