natürlich GESUND
Montag, 28.05.2007      

Ihr Weg zu Harmonie und Lebensfreude
Ihr Weg zu Harmonie und Lebensfreude




Spagyrik und Phytotherapie


Die auf uralter alchemistischer Tradition und Erfahrungsmedizin beruhende Herstellungsmethode von hochwirksamen, nebenwirkungsfreien pflanzlichen Arzneimitteln wird im Licht von modernen Analysemethoden und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen sowohl für den feinstofflich denkenden, wie auch für den allopathisch orientierten Praktiker oder Therapeuten zur sinnvollen Alternative.

Spuren für eine alchemistische Aufbereitungsart von Pflanzen, Mineralien , Körpersäften etc. finden sich in allen Hochkulturen. Die europäische Tradition geht zurück auf die ägyptische Hermetik (Hermes Trimegistos, um 2000 v. Chr.), die bis ins späte Mittelalter als Geheimwissenschaft praktiziert wurde. Die erste literarische Erwähnung des Begriffs «Spagyrik» findet sich bei Theophrast von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541), der Spagyrik (Spagyria) als praktische Anwendung der Alchemie zur Herstellung von Arzneimitteln bezeichnete. Sämtliche späteren Spagyriker berufen sich mehr oder weniger auf Paracelsus. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang Johann Rudolf Glauber (1604–1670) und Carl Friedrich Zimpel (1800–1878).

Die Philosophie der Spagyrik

Gemäss dem hermetischen Entsprechungsprinzip gelten bestimmte G esetzmässigkeiten für alle Ebenen im gesamten Kosmos. Was für den Menschen gilt, hat auch seine Entsprechungen bei Tier, Pflanze und Mineral. Dies ist eine Voraussetzung, um mit einer Pflanze beim Menschen überhaupt eine Heilung erreichen zu können.

Dem Polaritätsgesetz gemäss ist alles Existierende der Polarität unterworfen, also dass zum Beispiel eine Pflanze sowohl Gift als auch Arznei sein kann und daher im Menschen sowohl positive wie auch negative Wirkungen erzeugen kann.

Die Alchemie besagt, alles, was die Natur hervorbringt, besteht aus drei wesentlichen Bestandteilen. Diese sind: Sal (Salz), Sulphur (Schwefel) und Mercurius (Quecksilber). Diese drei Begriffe dürfen nicht wörtlich verstanden werden; es handelt sich um Prinzipien, die je nach Herkunft etwas völlig Verschiedenes sein können, und die ihrerseits auch wieder der Polarität unterworfen sind.

Für die verschiedenen Daseinsebenen können gemäss Entsprechungsprinzip folgende Analogien aufgestellt werden:

Alchemistisches Prinzip:

Sal Sulphur Mercurius beim Menschen:

Körper Seele Geist

Sal Sulphur Mercurius bei der Pflanze:

Mineralstoffe Äth. Öle Alkohol
Spuren- «Phytothera- «spiritus»
elemente peutische
Schwermetalle Wirkstoffe»

Das Ziel der spagyrischen Heilpflanzen- aufbereitung besteht nun darin, die drei alchemistischen Prinzipien in ihrer Polarität aufzutrennen, d.h. sie zu reinigen oder wie Paracelsus sich ausdrückt «Gift von Balsam zu scheiden» und sie anschliessend zur Medizin, die Körper, Seele und Geist umfasst, wieder zu vereinigen. Gemäss alchemistischer Auffassung ist nur so eine Heilung an Körper, Seele und Geist beim Menschen möglich.

Es liegt in der Natur der während Jahrhunderten als Geheimwissenschaft betriebenen Alchemie, dass sich aufgrund von fehlenden oder verschlüsselten Anweisungen verschiedene spagyrische Verfahren entwickelt haben. So sind allein in die Amtliche Ausgabe des Homöopathischen Arzneibuchs (HAB 1) vier Verfahren zur Herstellung von spagyrischen Urtinkturen eingegangen:

• Spagyrische Urtinkturen nach Zimpel («spag. Zimpel»), Vorschriften 25/26

• Spagyrische Urtinkturen («spag. bidest»), Vorschrift 31

•Spagyrische Urtinkturen nach Pekana («spag. Peka»), Vorschriften 47a/b

•Spagyrische Urtinkturen nach Strathmeyer («spag. Strathmeyer»), Vorschriften 50a/b

Im weiteren wird im HAB ein spagi(!)risches Verfahren nach Krauss («spag. Krauss»), Vorschriften 27/28/29/30, beschrieben.

Alle diese Verfahren unterscheiden sich stark in Bezug auf die angewandten Herstellungsschritte und somit auch auf die resultierende Zusammensetzung der Urtinkturen. Neben diesen «amtlichen» werden von verschiedenen Produzenten spagyrische Urtinkturen oder Complexmittel nach abweichenden Verfahren, die sich auf verschiedene Quellen berufen, hergestellt.
In der Schweiz und in Deutschland hat sich die Spagyrik nach Zimpel gegenüber anderen Herstellungsverfahren klar durchgesetzt.

Die Herstellung nach Zimpel

Für die Herstellung der spagyrischen Urtinkturen nach Zimpel gelten die Vorschriften 25 (für Frischpflanzen) und 26 (für Arzneidrogen) des Homöopathischen Arzneibuchs. Diese Verfahren bestehen im wesentlichen aus den folgenden Schritten:

• Vergärung
• Wasserdampfdestillation
• Vereinigung von Asche und Destillat
• Filtration

Die zerkleinerten Pflanzen werden in einem vorgegebenen Verhältnis mit destilliertem Wasser und Bierhefe angesetzt und während 20 bis 25 Tagen der Gärung überlassen. Nach Abschluss der Gärung wird der Ansatz einer schonenden Wasserdampfdestillation unterworfen. Als Vorlage dient eine vorgegebene Menge 86prozentiger Alkohol, der das Destillat stabilisiert und als Lösungsvermittler zwischen öligen, wasserdampfflüchtigen Bestandteilen und dem destillierten Wasser dient. Nach Erhalt einer vorgegebenen Menge stabilisierten Destillats (2 kg stabilisiertes Destillat pro kg eingesetzter Frischpflanze oder 10 kg stabilisiertes Destillat pro kg eingesetzter Arzneidroge) wird die Destillation beendet. Der Äthanolgehalt des Destillats beträgt ca. 20 Volumenprozent.

Der Destillationsrückstand wird getrocknet, verbrannt und anschliessend bei 400°C 3 Stunden kalziniert. Zum Erhalt einer weissen, homogenen Asche sind bis zu sechs Kalzinierzyklen notwendig, wobei die Asche zwischen diesen Zyklen im Mörser zerkleinert und gesiebt werden muss. Die vollständig kalzinierte Asche gibt man dem Destillat zu. Nach zwei Tagen wird der ungelöste Anteil der Asche abfiltriert und verworfen. Das Filtrat ist die spagyrische Urtinktur, als spag. Zimpel TM (TM für Tinctura Madre) bezeichnet.

Die Inhaltsstoffe

Während der einzelnen Herstellungsschritte laufen viele verschiedene chemische und physikalische Vorgänge ab, welche für die schlussendliche Zusammensetzung der Urtinktur von Bedeutung sind.

Gärung: Die während der Gärung ablaufenden Vorgänge sind nur zu einem kleinen Teil wissenschaftlich bewiesen. Dies wird leicht verständlich, wenn man bedenkt, dass je nach Hersteller zwischen 100 und 500 verschiedene Pflanzentinkturen hergestellt werden und dass die Analytik dieser komplexen und von Pflanze zu Pflanze verschiedenen Vorgänge sehr aufwendig ist.

Einiges ist jedoch bekannt. So ist nachgewiesen worden, dass Bierhefe in der Lage ist, im Traubensaft glykosidisch (an Zucker) gebundene Aromastoffe (Terpene) freizusetzen. Solche nichtflüchtigen Terpenglykoside sind in vielen Pflanzen vorhanden und können von der Bierhefe aufgespalten werden. Dies erklärt, dass aus einer geschmack- und geruchlosen Pflanze eine wohlriechende, aromatische Essenz gewonnen werden kann.

Auch andere Pflanzeninhaltsstoffe (Herzglykoside, Flavonoide, Saponinglykoside, Senfölglykoside, Anthrachinonglykoside, Phenolglykoside, z. T. Bitterstoffe) sind an Zucker gebunden und in dieser Form nicht flüchtig. Durch Abspaltung der Zucker wird das Molekulargewicht dieser Verbindungen verkleinert und dadurch ihre Flüchtigkeit (Destillierbarkeit) erhöht.
Ein weiterer chemischer Vorgang während der Gärung ist die Bildung von kurzkettigen, organischen Säuren durch Hydrolyse von Proteinen oder Estern. Auch durch diesen chemischen Vorgang werden Molekulargewichte verkleinert und die Destillierbarkeit von Inhaltsstoffen erhöht.

Ein dritter wichtiger Vorgang ist die klassische Gärungsreaktion, wobei aus pflanzeneigenen oder durch Glykosidspaltung entstandenen Zuckern Alkohol und Kohlendioxid entstehen. Dem daraus gebildeten Alkohol wird gemäss alten Quellen im Entstehungsmoment (in statu nascendi) ein weit grösseres Aufschluss- und Lösevermögen zugeschrieben als bei einer normalen Extraktion mit Alkohol. Das entstehende Kohlendioxid (Gärgas) und der dadurch gebildete Überdruck im Gärbehälter geben dem Praktiker Hinweise über Verlauf und Beendigung der Gärvorgänge.

Destillation
Bei der Wasserdampfdestillation werden, alchemistisch betrachtet, der Geist (Mercurius) und die Seele (Sulphur) der Pflanze gewonnen. Chemisch betrachtet, handelt es sich beim flüchtigen Sulphur in erster Linie um die schon in der Pflanze frei vorliegenden oder durch Glykosidspaltung entstandenen ätherischen Öle, die aufgrund ihres niederen Molekulargewichts vollständig destilliert werden. Neben den ätherischen Ölen gehen auch eine Vielzahl von Spaltprodukten (z.B. organische Säuren), die bei der Gärung entstanden sind, ins Destillat über. Das Destillat reagiert in der Regel schwach sauer (pH 3–4). Als Grundregel gilt, dass Verbindungen mit einem Molekulargewicht bis ca. 250 Dalton durch Wasserdampf vollständig destillierbar sind.

Je nach Molekulargewicht und -struktur können auch höhermolekulare Verbindungen in Spuren nachgewiesen werden. Zu diesen höhermolekularen Verbindungen gehören zum grössten Teil die giftigen und allergieauslösenden Inhaltsstoffe der Pflanzen (z.B. Alkaloide). Bei der Wasserdampfdestillation wird also, wieder alchemistisch betrachtet, der Sulphur der Pflanze in Gift und Balsam aufgetrennt, der Balsam geht ins Destillat und somit in die Essenz über, das Gift wird nur in «homöopathischer Dosis» gewonnen, der grösste Teil bleibt im Destillationsrückstand und wird anschliessend verbrannt.

Kalzinierung
Die Kalzinierung des Destillationsrückstands hat den Zweck, die in der Pflanze meist organisch gebundenen Mineralstoffe und Spurenelemente (das alchemistische Sal) in eine Form überzuführen, in welcher der Balsamanteil des Sals im schwach sauren Destillat in Lösung geht, der Giftanteil hingegen zum grössten Teil ungelöst bleibt.
Chemisch betrachtet, werden die Mineralien durch den Glühvorgang in ihre Carbonate oder Oxide umgewandelt. Bei praktisch allen spagyrischen Urtinkturen besteht der grösste Anteil an löslichen Mineralien aus Kalium – in Konzentrationen von 200 bis 800 ppm (mg/kg). Dies entspricht einer homöopathischen Potenz zwischen D 3 und D 4. Die Konzentrationen der anderen Mineralien Natrium, Calcium und Magnesium sowie der essentiellen Spurenelemente Phosphor, Kupfer und Zink liegen zwischen 1 und 100 ppm (entsprechend einer homöopathischen Potenz zwischen D 4 und D 6).

Die Zusammensetzungen schwanken jedoch pflanzenspezifisch sehr stark. So enthält eine Urtinktur von Echinacea kein Magnesium und wenig Calcium (1–2 ppm), aber 10–20 ppm Kupfer und Zink, während eine Urtinktur von Ginkgo biloba kein Kupfer und Zink, dafür 200 bis 300 ppm Calcium und Magnesium enthält. Andere Pflanzen reichern spezifisch gewisse Spurenelemente an, wie beispielsweise Equisetum arvense Silizium oder Avena sativa Mangan. Nicht oder nur in sehr geringer Konzentration (< 1 ppm) nachweisbar sind toxische Schwermetalle wie Quecksilber, Cadmium und Blei.

Die Stellung der Spagyrik

Die Stellung der Spagyrik innerhalb der mit Pflanzen oder Pflanzenzubereitungen arbeitenden Heilmethoden ist nicht genau abgrenzbar. Entsprechend ihrer Philosophie in der alten Literatur wird die Spagyrik den energetischen, d.h. den feinstofflich wirkenden Heilmitteln zugerechnet. Aufgrund der modernen Analytik beinhaltet sie aber auch Elemente der Phytotherapie, der Aroma- und vor allem der Mineralstofftherapie, deren Bedeutung in neuester Zeit als Bestandteil der orthomolekularen Medizin wissenschaftlich bewiesen wurde. Bei der Spagyrik werden sowohl die bei der Allopathie erwünschten Primärreaktionen (Reaktion der Krankheitssymptome auf das Medikament) wie auch die in der Homöopathie erwünschten Sekundärreaktionen (Gegenreaktion des Körpers auf das Medikament, Auslösung der Selbstheilungskräfte) beobachtet.

Die Anwendung der Spagyrik

Entsprechend ihrer stofflichen und energetischen Komponenten wird die Spagyrik sowohl nach homöopathischen wie auch nach phytotherapeutischen Grundsätzen eingesetzt.

Homöopathische Anwendung
Bei der homöopathischen Anwendung der verschiedenen spagyrischen Pflanzentinkturen besteht die Schwierigkeit darin, dass für deren Wirkungen bedeutend weniger detaillierte Beschreibungen vorliegen als für die homöopathischen Einzelmittel. Zur Ermittlung des richtigen Mittels, des homöopathischen Simile, werden verschiedene Hilfsmittel beigezogen:

  • Astromedizin

  • Zuordnung von bestimmten Pflanzen zu verschiedenen Konstitutionstypen

  • Signaturenlehre oder deren Weiterentwicklung, die Kristallographie

Alle diese Methoden setzen einen tiefen Einblick in die Materie voraus und sind deshalb nur für den erfahrenen Therapeuten anwendbar.

Phytotherapeutische Anwendung
Bedeutend einfacher ist die Anwendung nach phytotherapeutischen Grundsätzen. Man kann davon ausgehen, dass die meisten spagyrischen Pflanzentinkturen gleiche oder ähnliche Heilwirkungen entfalten wie die entsprechenden Phytotherapeutika, wenn auch auf mehreren Ebenen. In der Praxis werden meistens verschiedene spagyrische Urtinkturen zu sogenannten Complexen gemischt. Diese Kombinationspräparate nützen die Tatsache aus, dass sich die Heilwirkungen der verschiedenen Pflanzen zum Teil überschneiden oder ergänzen. Auf diese Art kann ein breiteres Wirkungsspektrum der Arzneimittel erreicht und damit die Arzneimittelwahl wesentlich vereinfacht werden.


MARKUS LÜDI, CHEMIE-INGENIEUR HTL



 
[ Home ] [ Sitemap ]
 


Aufrufe dieser Seite: 743
Seiten-Generation dauerte 0.4312 Sekunden