Gesund reisen mit Kindern
Reisen sind wichtig, um mal richtig abzuschalten und rauszukommen aus seinen vier Wänden, um neue Energie zu tanken und kostbare Zeit miteinander zu verbringen. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht oft ganz anders aus. Das, was für Erwachsene als notwendige Quelle der Erholung und Inspiration gilt, ist für Kinder oftmals mit viel Anstrengung verbunden – und für die Eltern entsprechend mit. Dieser Artikel soll sich nicht mit dem Problem der Langeweile wegen fehlender Spielkameraden befassen, sondern mit gesundheitlichen Beschwerden, die auftreten können, wenn man eine Reise tut. Erfahrungsgemäß ist der Erwartungsdruck bei Reisen sehr hoch und entsprechend die Frustrationsgrenze sehr niedrig. Nicht nur als Heilpraktikerin, sondern als reiselustige Mutter einer 8jährigen Tochter habe ich im Laufe der Jahre einige Erfahrungen gesammelt
Beginnen möchte ich mit der sogenannten „Reisekrankheit“, die typisch für das Kindesalter ist. Hierbei handelt es sich um eine Störung des vegetativen Nervensystems bei Fahrten mit dem Auto, dem Zug oder Schiff und beim Fliegen. Sie entsteht durch den Widerspruch zwischen vestibulären Reizen (schaukelnde Bewegungen) und den visuellen Informationen (feststehendes Bild, z.B. Bilderbuch o.ä.). Es kann zu Übelkeit mit und ohne Erbrechen, Blässe, manchmal Schwindel und Schweißausbrüchen kommen. Die Beschwerden tauchen erst im fortgeschrittenen Kleinkindalter auf. Bewährt hat sich in einem solchen Fall die Ingwerwurzel, Zingiberis rhizoma. Entweder bereitet man einen Tee zu, indem man 1–2 Scheiben frische Wurzel mit heißem Wasser überbrüht und 10 Minuten zugedeckt ziehen läßt oder man bereitet ihn auf gleiche Weise mit 1/4–1/2 Teelöffel getrocknetem Pulver. Zur Geschmacksverbesserung kann man etwas Zitronensaft und Honig dazugeben. Ebenso kann eine Ingwer-Tinktur eingenommen werden: 5–10 Tropfen auf etwas Wasser. Die Zubereitungen sollten ½ Stunde vor Reisebeginn eingenommen werden. Ingwer ist zwar bereits für Kinder ab dem ersten Lebensjahr geeignet, hier sollte man jedoch zurückhaltend sein, da er mit seinen Scharfstoffen den Magen reizen kann. Ich setze ihn ab dem Alter von 5–6 Jahren ein. Gut eignen sich auch Kapseln aus Ingwer-Extrakt, von denen man Kindern ab 6 Jahren 2 Kapseln vor Reisebeginn verabreicht.
Für kleinere Kinder können Nausyn Tropfen oder Tabletten von Weleda (mit Absinthium D2, Cocculus D4, Ipecacuanha D4, Nux vomica D10, Petroleum D8) verwendet werden.

Sie zaubert Kinder in sanften Schlaf: die Passionsblume
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Baldrian bringt Entspannung – ohne müde zu machen
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Ungewohntes bringt UnruheHat man das Urlaubsziel erreicht reagieren manche Kinder auf ungewohnte Nahrungsmittel empfindlich, was sich in Bauchschmerzen, allgemeinem Unwohlsein, Durchfall oder Verstopfung äußern kann. Bei Beschwerden, die mit einer Nahrungsumstellung zusammenhängen, kann hier erfolgreich mit Kamillentee oder Kamillentinktur geholfen werden. Kamille wirkt bei Magenschmerzen schnell und zuverlässig. Alternativ, besonders bei begleitendem Brechreiz und Krämpfen empfehle ich Pfefferminztee. Das Menthol der Pfefferminze wirkt im Magen desinfizierend, antiemetisch, spasmolytisch und schmerzlindernd. Die Dosierung für beide Pflanzen liegt bei ½–1 Teelöffel auf eine Tasse. Mit heißem Wasser übergießen, 5 Minuten bedeckt ziehen lassen – fertig. Gute Erfahrungen habe ich auch mit dem Bitter-Elixier der Firma Wala gemacht. ½–1 Teelöffel vor dem Essen eingenommen regt die Verdauungstätigkeit an und wird von Kindern wegen des bitter-süßen Geschmacks nicht ungern eingenommen.

Bewährt bei Insektenstichen: frische Zwiebelauflagen
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Geheimrezept bei Sonnenbrand: ein kühlender Quarkwickel
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Gerbstoffpflanzen gegen DurchfallSollte sich Durchfall einstellen, je nach Reiseziel evtl. durch verunreinigtes Trinkwasser bedingt, hilft die Blutwurz - Potentilla tormentilla/erecta. Die Wurzel hat einen Gerbstoffgehalt von bis zu 20 Prozent. Pflanzen mit einer solch hohen Gerbstoffkonzentration reizen normalerweise die Magenschleimhaut und lassen sich bei Kindern nicht gut einsetzen. Bei der Blutwurz ist das anders. Ihre Gerbstoffe sind besser verträglich als die anderer Gerbstoffdrogen, sie sind an Eiweiße gebunden, die bewirken, das sie langsam und länger anhaltend abgegeben werden. Gerbstoffdrogen haben die Eigenschaft adstringierend auf Haut und Schleimhäute zu wirken. Im Darm führt das zu einer stopfenden Wirkung, die gleichzeitig bakteriostatisch und antiviral ist. Da bei Reisedurchfall auch eine Infektion oft nicht auszuschließen ist, und gerade bei Kindern Durchfälle sehr schnell bedrohlich werden können, ist die Blutwurz folglich das Mittel der Wahl.
Vom Pulver gibt man 3 mal täglich 1 Messerspitze direkt in den Mund und reicht ein Glas Wasser zum Nachspülen. Der Tee wird folgendermaßen zubereitet: 1 Teelöffel zerkleinerter Droge mit 1 Tasse Wasser kalt ansetzen, anschließend kurz zum Sieden erhitzen und sofort durch ein Teesieb abseihen. Davon 3-4 mal täglich 1 Tasse warm trinken. Die Blutwurz ist für Kinder unter 1 Jahr nicht geeignet.
Ist Durchfall eine mögliche Reiseerscheinung, kann Verstopfung eine andere sein. Auch hier kann es verschiedene Ursachen geben: Nahrungsumstellung, fehlender Rhythmus, ungewohnte Umgebung. Sollte die Verstopfung zu belastend sein, können sanfte, aber wirkungsvolle Hilfsmittel zum Zuge kommen. Ein erster Versuch kann mit Trockenfrüchten unternommen werden, deren Fruchtsäuren abführend wirken. Über Nacht werden 3 getrocknete Feigen oder Pflaumen in kaltem Wasser eingeweicht, die am nächsten Morgen auf nüchternen Magen gegessen werden. Das Einweichwasser wird dazu getrunken. Gut wirkt außerdem Pflaumensaft, ein Glas auf nüchternen Magen.
Handlich für das Reisegepäck sind Früchtewürfel (mit Feigen, Pflaumen, Milchzucker, Tamarindenkonzentrat), die gekaut werden können. Unterstützend ist eine Bauchmassage sehr wohltuend, die die Darmtätigkeit anregt. Dafür reibt man den Bauch des Kindes im Uhrzeigersinn um den Bauchnabel herum vorsichtig mit einem guten Öl ein.
Sollten die Trockenfrüchte nicht ausreichen, kann Mannasirup, Sirupus mannae , 1 Teelöffel täglich über eine Woche eingenommen werden.
Gerade kleine Kinder reagieren auf die Hektik, die eine Reise mit sich bringt, häufig ebenfalls mit Unruhe und Schlafstörungen. Das eigene Bett fehlt, es riecht anders, fühlt sich anders an, sieht anders aus. Jedes Kind braucht seine Zeit, um sich umzustellen, und die sollte ihm auch zugestanden werden. Es braucht eine Weile, bis die „Seele nachkommt“. Leidet das Kind jedoch unter Schlafmangel und ist übermüdet und unleidig, hilft z.B. die Passionsblume, Passiflora incarnata.: 1 Teelöffel Kraut wird mit 1 Tasse kochendem Wasser übergossen und nach 5-10 Minuten abgeseiht. Der Tee wird abends etwa ½ Stunde vor dem Schlafen mit Honig gesüßt getrunken.
Weiterhin ist der Baldrian zu empfehlen, Valeriana officinalis . Da die Wurzel einen sehr eigenen Geschmack hat, haben sich für Kinder Präparate bewährt, die mit Passionsblume kombiniert sind. Während die Passionsblume müde macht, wirkt Baldrian auf anderem Wege: er wirkt entkrampfend auf das zentrale Nervensystem und führt so zur Entspannung, ohne müde zu machen. Deshalb ist er auch bei allen nervösen Spannungszuständen angezeigt.
Sonnenschutz mit MineralienIn jedes Reisegepäck gehört ein ausreichender Sonnenschutz , der immer ½ Stunde vor dem Sonnenbad aufgetragen werden sollte um volle Wirkung zu haben. Einige Naturkosmetikhersteller bieten Sonnencremes an, die durch mineralische Pigmente vor der Sonne schützen – sie haben den Vorteil, sofort zu wirken – und sie sind gegenüber den synthetischen Mitteln sehr viel verträglicher. Denn: gerade zarte Kinderhaut reagiert auf Sonnencremes empfindlich.
Sollte man beim Eincremen doch mal den richtigen Zeitpunkt verpaßt, die Sonnenintensität unterschätzt haben oder das Kind gerade mit Sand besprenkelt sein, kann es zum Sonnenbrand kommen. Als erstes sollte dann die betroffene Stelle gekühlt werden. Da es sich um eine Hautentzündung handelt, kann man feuchte Auflagen mit abgekühltem Kamillentee oder verdünnter Kamillentinktur (2 Esslöffel Tinktur auf einen Liter kaltes Wasser) machen. Wichtig ist es die Auflage häufig zu wechseln, es darf nicht zu einem Hitzestau kommen. Auch Quarkauflagen helfen, wobei der Quark nicht direkt auf die Haut – sondern auf ein dünnes Baumwolltuch – aufgetragen werden sollte, damit es nicht zu Verklebungen des Quarks mit der verbrannten Haut.kommt. Ebenfalls kühlend wirkt Essigwasser, es werden 2 Esslöffel auf 1 Liter Wasser gegeben. Hat die Haut sich beruhigt, kann über Nacht Johanniskrautöl aufgetragen werden. Früher fehlte in keiner Schmiedewerkstatt das Öl aus den Knospen und Blüten des Johanniskraut, Hypericum perforatum . Es fördert die Heilung und nimmt die Schmerzen. Gut wirken auch Brandessenzen mit z.B. Arnika, Ringelblume, Beinwell, Brennessel u.a.
Der Trick mit dem SpitzwegerichDie warme Jahreszeit bringt ein weiteres Übel mit sich: Insektenstiche. Als Reaktion auf den Stich kommt zu lokaler Rötung und Schwellung, zu Juckreiz oder Brennen. Immer wieder beeindruckend in dem Zusammenhang ist die Wirkung des Spitzwegerichs, Plantago lanceolata. Man pflückt die frischen Blätter, legt einige aufeinander und reibt diese fest zwischen den Händen. Der ausgetretene Pflanzensaft wird auf den Stich gegeben und entfaltet sofort seine Wirkung. Der Stich schwillt ab, das Brennen und die Schmerzen lassen nach, egal ob Wespen-, Bienen-, Schnaken- oder Bremsenstich. Verantwortlich für die Wirkung ist eine ausgewogene Kombination von Wirkstoffen, bei denen die Schleimstoffe, die Gerbstoffe und das antibakteriell wirkende Aucubin die Hauptrolle spielen.
Sehr gut kann auch Arnikatinktur verwendet werden. Zu berücksichtigen ist bei der Anwendung, daß sie nur verdünnt aufgetragen wird, da es bei unverdünnter Anwendung zu einer Kontaktdermatitis kommen kann. Das Verdünnungsverhältnis sollte bei Kindern 1:10 betragen. Entsprechend sind auch Arnikagels und - salben der verschiedensten Firmen hergestellt.
Die Arnika, Arnica montana wirkt entzündungswidrig, abschwellend und schmerzlindernd. Wer keine Arnikazubereitung in der Reiseapotheke und keinen Spitzwegerich um sich hat, der kann immer noch auf ein altes „Hausmittel“ zurückgreifen: die Zwiebel. Eine frisch aufgeschnittene Scheibe tut nicht nur gut, weil sie kühlt, sondern wirkt über ihre ätherischen Öle abschwellend, entzündungswidrig und desinfizierend. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, das selten alle Beschwerden auf einmal eintreten und das jede Reise eine Bereicherung für die ganze Familie darstellt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine schöne Urlaubszeit!
Text: HP Michaela Girsch
Kapellenfeld 18 • D-79291 Merdingen
Michaela Girsch ist u.a. Dozentin an der Freiburger Heilpflanzenschule. Sie leitet gemeinsam mit einer Kollegin die Fachfortbildung Phytotherapie in der Kinderheilkunde; Beginn: 18./19. Oktober 2003.
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